Das Unbewusste in der türkischen 68'er Bewegung


1. ZIELSETZUNG DER ARBEIT

Die Dissertation soll einen Beitrag zur Diskussion zum Thema „Das Unbewusste in der türkischen 68’er Bewegung” leisten. Das Unbewusste in der türkischen Kultur und dessen Kontinuität und Transformation während der türkischen 68’er Bewegung wird erforscht. Im Rahmen der psychoanalytischen Kulturforschung wird der Untersuchungsgegenstand das Verhältnis zwischen der türkischen Geschichte und Kultur und den Paradigmen der 68’er Bewegung, das Verhältniss vom manifesten und latenten Sinn, der widersprüchliche Charakter der Erklärungen und theoretischen Arbeiten und die Rolle des Unbewussten auf die Formation der Paradigmen sein.

1.1. STAND DER FORSCHUNG 

In den letzten Jahren wurde die 68’er Bewegung als ein globales Phänomen betrachtet. Obwohl die 68’er Bewegung in vielen Ländern ihre länderspezifischen Charaktere hatte, gab es auch gemeinsame Nenner, wie zum Beispiel die Opposition zum Vietnamkrieg. Die wissenschaftliche Literatur über die 68’er Bewegung in der Türkei kombinierte den internationalen Einfluss (d.h. den Unabhängigkeitskrieg in Vietnam) und die Gründung der türkischen Republik in 1923 nach solchen einem Unabhängigkeitskrieg. Die historischen Wurzeln der Bewegung und ihr Verhältnis zur türkischen Kultur wurden einseitig und nur als Fortsetzung des nationalen Unabhängigkeitskrieges Anfang der 1920’er Jahre bewertet. Das Verhältnis zwischen Kultur und die entsprechende Sozialisation und die 68’er Bewegung wurden zu wenig im Betracht gezogen. 

Die Verbindung zwischen Politik und Psychoanalyse wird innerhalb der wissenschaftlichen Forschung in der Türkei kaum thematisiert. 

Die Psychoanalyse wird nicht als eine Methode der Wahrheitsfindung, sondern im Rahmen der individuellen Psychologie betrachtet. Das Resultat ist die Psychologisierung gesellschaftlicher Ereignisse mithilfe klinischer Methoden in der Politik. 

Dieses Verhältnis war nur in den 1970’er Jahren ein Thema in der türkischen Literatur. In einigen Romanen finden sich Spuren des latenten Sinns innerhalb der türkischen 68’er Bewegung.

1.2. DIE FRAGESTELLUNG 

Die Türken haben den Niedergang des Osmanischen Reich Anfang des 20. Jahrhunderts nie überwunden. Dieser Verlust konstituiert einen beträchtlichen Teil des Unbewussten in der türkischen Kultur. 

Das Osmanische Reich war ein Balkanstaat und der Niedergang des Reichs beschleunigt sich mit dem Verlust der Balkanregion. 1908 wurde der Sultan von der Partei Ittihat ve Terakki (Einheit und Fortschritt) entmachtet. Ein Großteil der Führungskader dieser Partei, auch der spätere Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk, stammte aus der Balkan-Region. Das Osmanische Reich trat unter der Führung der Partei Einheit und Fortschritt in den ersten Weltkrieg ein und befand sich 1918 auf der Verliererseite. Der Abkommen Sèvres wurden zwischen dem Osmanische Reich und den Siegermächten (Frankreich und Grossbritanien) unterzeichnet. Anatolien wurde in verschiedene Staaten, darunter Griechenland, geteilt, den Türken fiel einen kleines Gebiet im mittleren Anatolien zu. Nach dem Unabhängigkeitskrieg zwischen 1920 und 1923 entstand die Türkei mit ihren heutigen Grenzen. 

Der Untergang des Osmanischen Reichs und die Teilung Anatoliens durch Sèvres-Abkommen hinterließen tiefe Spuren in der türkischen Kultur. 

Erstens: Seit der Gründung der türkischen Republik 1923 haben viele Türken einen problematischen Vaterlandsbegriff. Die Definition des Vaterlandes variiert mit der Zeit. So wurden von der Gründung der Republik bis 1991 die imperialen Ambitionen der Türkei zurückgedrängt. Seit dem Niedergang der Sowjetunion treten sie offener zutage. Verschiedene türkische Regierungen wollten in der Balkanregion, im Mittle Osten und im Kaukasus Gesetz und Ordnung wahren. Das imaginäre (ideelle) Vaterland hat seine Grenzen zwischen dem Balkan, dem Mittleren Osten und Zentralasien. 

Imperiale Ambitionen sind ein Merkmal der türkischen Kultur, obwohl sie in der offiziellen Sprache immer abgelehnt wurden und werden. 

Zweitens: Die meisten Türken haben seit Jahren ein sog. Sèvres-Syndrom. Die Oppositionsparteien definierten verschiedene internationale Abkommenen seit Jahren als “Neu-Sèvres“. Sèvres bedeutet in der türkischen Mentalität den Untergang des letzten großen türkischen Staates. 

Der Niedergang des Osmanischen Reichs ist noch ein zentrales unverarbeitetes Ereigniss im türkischen Bewusstsein. Dieser Verlust konstituiert einen beträchtlichen Teil des Unbewussten in der modernen türkischen Kultur.

Daher lautet die zentrale Frage der Arbeit: Wie beeinflusste dieses zentrale Motiv des Unbewussten die Paradigmen der türkischen 68’er Bewegung, die die erste massenhafte linksnationalistisch orientierte Bewegung in der Geschichte des Landes war?

Eine sozialisationstheoretische Erklärung der Paradigmen der 68`er Bewegung ist aus zwei Gründen unzureichend: 

Erstens: Um eine neue Nation zu gründen und den Verlust eines Weltreichs zu kompensieren, überzeichneten die Kemalisten das Türkentum. Sie produzierten neue Mythen über das Türkentum und setzten sich mit der osmanischen Zeit auseinander und betrachteten die osmanische Epoche als Erniedrigung der Türken. In ihren Augen war das Reich war eine Semi-Kolonie der westlichen Mächte und die Türken waren kein unabhängiges Volk. 

Um ein Teil der westlischen Zivilisation zu werden, begannen die Kemalisten eine umfassendes Modernisierungsprogramm. 

Erst ab 1960 war klar, dass die Modernisierung der türksichen Gesellschaft gescheitert ist. Studenten und zahlreiche Intellektuelle lehnten die offiziele Sozialisation ab, die zu ganz andere Ergebnissen führte. In der offiziellen Erzählung ist das Türkentum gross, nur dies spiegelt sich in der Realität nicht wider. Die Türkei war ein unterentwickeltes Land, das durch internationale Banken und die Vereinigten Staaten kontrolliert wurde. Die 68`er Bewegung nahm Bezug auf den ersten Unabhängigkeitskrieg und füllte die alten Paradigmen mit neuem Inhalt. 

Zweitens: Vom 1970 zu 1972 führte einen Teil der 68er Bewegung einen bewaffneten Kampf, die mit der gesellschaftlichen Situation und Sozialisationsgeschichte ungenügend erklärbar war. Der bewaffnete Kampf hatte keine Ursachen in der familieren Sozialisation, wie im Fall der RAF in Deutschland (Richter 2008). 

Ständig das Unmögliche zu versuchen oder die Flucht nach Vorn, war eine Tradition von gesellschaftlichen Bewegungen in der türkischen Geschichte, die besonders zur politischen Praxis der Organisation Fortschritt und Einheit gehörte. 

Für Erklärung der Paradigmen der 68`er Bewegung ist nicht nur die Forschung des manifesten Sinns, sondern auch die Forschung der latenten Sinns nötig.

Um die Frage der Dissertation zu beantworten, ist es nötig, den Modernisierungsprozess der letzen 160 Jahre (1800-1960) im osmanischen Reich und in der Türkei im Kontext zu bestimmten Begriffen zu erörtern: Modernisierung durch den Staat, die Rolle der Armee, die Rolle der Studenten und Intellektuellen, die Passivität des Volkes, Unabhängigkeit, fremde Okkupation im Land, Nationalismus und bewaffnete Kampf gegen innere und äußere Feinde. 

Dieser Zeitraum beinhaltet die letzte Epoche des Osmanischen Reiches, die Gründung und Entwicklung der türkischen Republik. 

2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

a) Das Verhältnis zwischen Soziologie und Psychoanalyse 

Freud bewertete das Anwendungsgebiet der Psychoanalyse nicht nur als Therapie von Neurosen, sondern als Lehre vom seelisch Unbewussten, “die sich mit der Entstehungsgeschichte der menschlichen Kultur und ihrer großen Institutionen wie Kunst, Religion und Gesellschaftsordnung beschäftigen.“ (Lorenzer, Dahmer, Horn, Brede, Schwanenberg 1971, S. 7) In Artikeln wie “Massenpsychologie und Ich-Analyse” (Freud 1921, S: 38-51) und “Die Zukunft einer Illusion” (Freud 1927, S: 52-61) analysierte er die menschliche Kultur und ihrer Institutionen. 

Der Aufstieg des Faschismus in Deutschland war ein großes Thema in der Psychoanalyse. Wie und warum das Volk Hitler unterstütze, wie zahlreiche Menschen sich gegen ihre eigenen Interessen positionieren und Hitler folgten, konnte nicht mit wirtschaftlichen Faktoren erklärt werden. 

Die Methode von Freud war unhistorisch und er hat das Individuum als Anfangspunkt. “Kollektive Abläufe und Strukturen, wie sie die Soziologie beschäftigen, sind demnach nach Freuds Auffassung nicht qualitativ unterschieden von individuellen Abläufen; das Unterschiedskriterium liegt in der Zahl.” (Bruns 1995, S: 12) 

Wenn Psychologie und Soziologie als getrennt betrachtet wird, besteht die Gefahr der Pathologisierung von gesellschaftlichen Ereignissen, sogar die Psychologisierung der Politik. 

b) Die Frankfurter Schule

Eine Integration von Soziologie und Psychoanalyse führte zum Begriff der psychoanalytischen Sozialpsychologie. 

Gesellschaftliche Ereignisse können nicht aus den Trieben erklärt werden, weil erst die gesellschaftlichen Verhältnisse auf die menschlichen Bedürfnisse einwirken und sie formieren, bevor sie als gesellschaftliche Faktoren Einfluss auf das Individuum nehmen. 
Die erste Generation der Frankfurter Schule zeichnete sich durch die Anwendung der Psychoanalyse für die Untersuchung gesellschaftlicher Ereignisse (Bush 2007). Diese erste Generation verband familiäre Sozialisation mit Verhaltensweisen von Individuen in der Gesellschaft. Wegen der autoritären Erziehung, haben Individuen eine starke Tendenz zur antidemokratischen Denkweise und einen autoritäre Charakter. Der Triumpf des Faschismus in Deutschland scheint diese Theorie zu bestätigen. Nur weitere Versuche andere gesellschaftlichen Phänomene mit den Konsequenzen der familiären Erziehung zu verbinden, waren gescheitert. 

Alexander Mitscherlich beschäftigte sich in seinem Werk „Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft“ mit neuen Tendenzen innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft. Die kapitalistische Produktionsweise hat tradierte Strukturen innerhalb der Familie verändert. So ist im Leben des Kindes, Mitscherlich betrachtete die Beziehung zwischen Vätern und Söhnen: der Vater war nicht mehr dauerhaft Präsent, denn sein Arbeitsplatz liegt weit entfernt von der Wohnung. Die Abwesenheit des Vaters beeinflusst über die familiäre Sozialisation die Formierung des Charakters vom Kind. 

In dieser Analyse blieb der einzelne Mensch der theoretische Anheftungspunkt. Mitscherlich erklärte ein Massenphänomen durch Parallelisierung der Einzelentwicklungen, wie in der Massenpsychologie und Ich-Analyse (Bruns 1995). 

Einige Psychoanalytiker versuchten später die 68’er Bewegung mit der Vaterlosigkeit der Nachkriegsgeneration zu erklären, die konsequent gescheitert war.

Die zweite Generation der Frankfurter Schule, besonders Alfred Lorenzer hat die Psychoanalyse als kritische Sozialwissenschaft neugefasst. Er hat Freuds Triebtheorie neu definiert: der Trieb ist nichts biologisches, sondern entsteht durch Interaktionen. Die Mutter und der Vater sind ein Teil des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters (Bush 2001). 

Lorenzer und seine Nachfolger beschränkten sich nicht auf Familie und frühe Kindheit, sondern zogen nachfamiliäre Sozialisationsetappen (Schule, Arbeitsleben, Adoleszenz, etc.) ebenfalls in Betracht. Das Unbewusste kann nicht nur innerhalb einer begrenzten Lebenszeit betrachtet werden.

3. METHODISCHES VORGEHEN

“Ob gesellschaftliche Phänomene aus objektiven Bedingungen oder dem Seelenleben der vergesellschafteten Individuen abzuleiten seien oder aus beidem; ob die zwei Typen der Erklärung sich ergänzen, sich ausschlißen, oder ob ihr Verhältnis selbst erst der weiterer theoretischen Erwägung bedarf – all das reduziert sich auf Methodologie.” (Adorno 1997, S. 43) 

Jeder Forschungsgegenstand hat seine Methodologie. Es ist wichtig eine angemessene Methodologie, die die Forschungsthema paßt zu bestimmen. 

Der Verlust des Reichs, dieses gesellschaftliche Trauma, beeinflusste nicht nur die Ziele und Verhaltensweise der 68`er Bewegung und linksorientierte Intellektuellen, sondern auch das Militär, andere Staatskader, Islamisten und rechtsorientierte Intellektuelle und Jugendliche. 

Die verschiedenen Akteure der zeitgenössischen türkischen Geschichte lassen sich nicht vergleichen, weil sie differenzierte, sogar gegenseitige politische Vorstellungen hatten. Sie wurden aber vom gleichen gesellschaftlichen Trauma beeinflußt. 

Die “Helden” der 68`er hatten in der Zeit von 1967 bis 1972 wenig Kontakt mit den Familienmitgliedern, weil sie “professionelle Revolutionäre” waren. Diese Vaterlosigkeit führte möglicherweise zu psychologischen Störungen bei den “Helden”. Nur, mit solch einer Störung kann eine soziale Bewegung, die einen enorme Einfluß auf die türkische Gesellschaft hatte, nicht erklärt werden. Dagegen eignet sich Lorenzers Model der Weltanschaung  (Lorenzer 1981) mehr dazu, um die Mechanismen der Effektivität der “Helden” und die Bewegung zu untersuchen. Was wichtig ist, sind nicht die möglichen Persönlichkeits-störungen, sondern die Verknüpfung der Störung mit einer besonderen Gesellschaftungsform, die erst durch die Weltanschaung zustande kommt (König 2008, S. 171). 

Die Analyse der türkischen Kultur und der Einfluß ihrer verborgenen Elemente auf die 68`er Bewegung kann nicht durch das PatientIn-AnalytikerIn-Verhältniss erklärt werden.

Die Methode der Tiefenhermeneutik, die eine psychoanalytische Kulturanalyse ist, formuliert von A. Lorenzer und entwickelt von H. D. König. Die Enträtselung der unbewussten Bedeutungen ist das Leitmerkmal der Tiefenhermeneutik. 

Die Regeln der tiefenhermeneutischen Methode nach König (Ders. 2008): 

Es ist wichtig, den Text oder das Bild aus sich selbst heraus zu verstehen. Aus diesem Grund werden Vorurteile, sogar das theoretische Begreifen, soweit wie möglich zurückgestellt. Persönliche Erfahrungen über den Inhalt des Textes oder des Bildes werden für die Analyse eingesetzt und korrigiert, bis die fremden Lebensentwürfe in ihrer konkreten szenischen Gestalt verstanden werden. 

Die InterpretInnen sind wie TheaterbesucherInnen, die das Spiel auf ihr eigenes Leben wirken lassen.

Irritationen werden im Text oder Bild festgestellt. Irritationen wiedersprechen einem Routineverstehen des Textes oder des Bildes. Diese widersprüchlichen Punkte sind Zugänge zum latenten Sinn. Erste Ergebnisse sind vorläufig und müssen mit weiteren Befunden bestätigt werden.

In einer Gruppe wird über die verschiedene Lesarten und unterschiedliche Reaktionen diskutiert, die durch den Text oder dem Bild freigesetzt werden. 

Auf dem zweiten Feld des hermeneutischen Verstehensprozesses wird im Rahmen der theoretischen Fragestellung das Neue, das durch die szenische Fallrekonstruktion entdeckt wurde, als ein verallgemeinerungsfähiger Begriff formuliert.

Um meine These zu überprüfen, werde ich die letzten 160 Jahre der türkischen Geschichte, die einen enormen Einfluss auf die 1960er Jahren hatten, mithilfe der Themen der 68’er Bewegung betrachten.

4. DIE MODERNISIERUNGSPROZESS DER TÜRKEI

Die Themen, die in der türkischen 68’er Bewegung relevant waren: 

4.1. Die Modernisierungsprozess des Landes ist gescheitert. In der Realität existieren zwei Typen von Modernisierung. In einer Besonderheit stimmen beide Typen überein: Die Verwestlichung des Landes. Der Unterschied lag darin, ob diese Verwestlichung gegen den Westen – damals wurde als Westen vor allem die USA verstanden - oder mit Hilfe des Westens durchgeführt werden soll.

4.2. Verwestlichung bedeutete die Modernisierung der türkischen Gesellschaft, die drei wichtige Etappen waren: 

4.2.1. Der Modernisierungsprozess wurde Anfang des 18. Jahrhunderts durch Sultan Mahmut II. angestoßen. Der Prozess begann mit einer umfassenden Modernisierung des Militärs. Das moderne Schulsystem der Türkei hat ihre wurzeln in den Militärschulen.

4.2.2. Die Organisation Ittihat ve Terakki (Einheit und Vorschritt), die durch einem Militärputsch Anfang des 20. Jahrhunderts an die Macht kam, setzte den Prozess fort. Die Vorgehensweise von dieser Organisation hatte einen großen Einfluss auf die türkische Kultur.

4.2.3. Kemalismus: Vom 1923 bis 1950, nach der Gründung der türkischen Republik. Das Land war frei von ausländischer Militärbesatzung und ein umfassender Modernisierungsprozess wurde – zumindest in den Großstädten - durchgeführt.

4.3. Ab 1950: die Demokratische Partei hatte die Regierungsmehrheit, der Modernisierungsprozess bekam eine neue Richtung, der mit umfassender wirtschaftlicher und militärischer Hilfe der USA durchgesetzt wurde.

4.4. In 1960 wurde die Regierung der Demokratischen Partei durch einen Militärputsch abgesetzt. Die Militärregierung bereitete eine neue Verfassung, die progressive Parteien und Organisationen zuließ, vor.

4.5. In 1965 gewann die Gerechtigkeitspartei, die sich als Fortsetzung der Demokratischen Partei definierte, die Wahl und stellte mit absoluter Mehrheit die Regierung. Ab 1967 nahm der Konflikt zwischen der Jugendbewegung und der Regierung zu. Mit passiver Unterstützung eines Teils des Militärs, protestierten Studenten gegen amerikanische Militärbasen im Land und unterstützten Land- und Fabrikbesetzungen. Die Proteste wurden ab 1968 zur Massenbewegung. 

Die 68’er Bewegung in der Türkei verlief in verschiedenen Entwicklungsetappen, die nicht immer mit einem “normalen Verlauf” erklärt werden konnten. 

“(…) Analytische Psychologie, die Einzige, die im Ernst den subjektiven Bedingungen der objektiven Irrationalität nachforscht (…)“ (Adorno 1997, S. 42)

5. SZENISCHE VERSTEHEN UND REKONSTRUKTION DER 68’ER BEWEGUNG

5.1. Ein umfassendes Textmaterial der 68’er Bewegung wird bewertet, darunter verschiedene Artikel bekannter Persönlichkeiten und Erklärungen der entsprechenden Organisationen. 

5.2. Meine persönlichen Erfahrung erleichtern ein gewisses Vorverständnis der 68’er Bewegung in der Türkei. Ich kenne viele Persönlichkeiten der Bewegung und ihre damalige Mentalität. Allerdings sollte ich in der Interpretation und Auswahl der Materialien flexibel sein, um eine mögliche Fehlinterpretationen und Vorurteile im Laufe des Verstehensprozesses zu korrigieren (König 2008).

5.3. Zum Verhältnis zwischen manifesten und latenten Sinn

5.3.1 Der latente Sinn innerhalb der 68’er Bewegung wird nicht nur durch den manifesten Sinn der innertürkischen Bewegung zugänglich, Ereignisse und Persönlichkeiten (Vietnam-Krieg, kubanische Revolution, Che Guevara) außerhalb des Landes beeinflussten ebenfalls das gemeinsame Erscheinungsbild der türkischen 68`er. Während des Verstehungsprozesses soll deshalb der internationale Einfluss betrachtet werden. 

5.3.2. Am Ende der Arbeit wird mit entsprechenden Begriffen aus dem szenischen Verstehensprozess die 68’er Bewegung in der Türkei rekonstruiert.

6. ZEITLICHER ARBEITSPLAN UND ZEITBUDGET

Ich bin der Ansicht, dass ich in zweiundhalb Jahren mit der Dissertation fertig werden kann.

1. Quartal: Allgemeine Theorie der psychoanalytische Kulturforschung und Teifenhermeneutik.
2. Quartal: Die Geschichte der Organisation Fortschritt und Einheit. Der Zeitraum von ca. 1880 bis Ende des ersten Weltkrieges (1918) war wichtig für das gesellschaftliche Unbewusste. Die Geburt der Angst aus Anatolien vertrieben zu werden.
3. Quartal: Kemalismus. Kompensation des Verlustes durch schnelle Modernisierng, die nicht funktionierte, dauerhafte Sevr-Syndrom.
4. Quartal: Regierungswechsel und andere Modernisierungsversuch, Anfang der 68er Bewegung und oppositionelle Intellektuellen.
5. Quartal: Der Aufstieg der linksnationalistisch orientierten Intellektuellen, Paradigmawechsel bei der Modernisierung, grosses Vertrauen an das Militär als Garant der nationalen Einheit.
6.-7.-8. Quartale: 68er Bewegung, ihre Paradigmen und wie sie das Unbewusste in der Kultur beeinflusste. 
9.-10. Quartale: Schreibung der Arbeit und nötige Korrekturen.


7. LITERATURHINWEISE

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